Dienstag, den 26.04.2022
Besuch bei Marie-Therese Chappaz – Domaine La Liaudisaz, Fully (Wallis)
Autor: Katrin Heuer
Pionierin und Protagonistin im bio-dynamischen Weinbau
Unser heutiger Tag auf unserer Weinreise durch die wunderbare Schweiz, führt uns ins Wallis. Die erste Verkostung soll gleich ein Paukenschlag werden! In der Presse als die Grande Dame der Biodynamie der Schweiz bezeichnet, sind wir schon sehr gespannt.
An der Rhône entlang kommen wir vom Genfer See, der leider regenverhangen ist, und fahren nach Fully einem kleinen Örtchen im Wallis. Noch konnten wir uns deutsch verständigen, jetzt geht es mit Französisch weiter. Das Weingut liegt am Berg sehr idyllisch direkt an den eigenen Rebhängen.
Biodynamie wohin das Auge reicht! Das Weingut selber scheint völlig zugewachsen zu sein. Hier darf anscheinend alles wachsen. Diese Philosophie sollte ich mir für meinen Garten unbedingt auch aneignen, wirkt deutlich entspannter! Hier hat sich kein Stararchitekt an einem Weingutbau der Superlative ausgelebt.
2004 wurde Marie Thérèse Chappaz vom Demeter Verband aufgenommen. Die Lehren des Rudolf Steiners haben sie überzeugt und somit arbeitet sie bereits seit mehr als 18 Jahren nach den Mondphasen, vergräbt gefüllte Kuhhörner und macht anschließend daraus homöopathische Spritzmittel und lässt die Natur, Natur sein. Respekt und Dankbarkeit der Natur gegenüber, Spitzenweine als Ergebnis, geben ihr Recht.
Monsieur Gregory begrüßt uns. Er ist für das Marketing der Domaine zuständig, aber wie wir später erfahren lässt Madame Chappaz keinen Zweifel daran, dass auf ihrem Weingut alle zusammenhalten und bei Bedarf alle in den Weinberg oder den Weinkeller gehen und mithelfen.
Bei den Steillagen hinterm Haus stelle ich mir das teilweise sehr mühsam vor. Verdammt steil! Man ist an die Mosel erinnert. Viele kleine Parzellen, die nur per Hand zu bearbeiten sind und kein Auto dort hinkommen kann. Teilweise werden Seilzüge eingesetzt oder eines der beiden Pferde. Alle Parzellen sind mit Natursteinmauern gestützt und geschützt. Das ständige Erneuern dieser Mauer kommt zu der sehr aufwendigen Weinbergsarbeit noch hinzu.
Besonders beeindruckend ist der „Combe d‘Enfers“. Eine Einzelparzelle, die sich in die Einbuchtung des Berges schmiegt. Sehr geschützt stehen dort die Reben wie in einem Amphitheater. Aus Kulturkreisen wird bereits angefragt, ob man hier nicht aufgrund der einzigartigen Akustik auch Konzerte geben könnte. Was für eine schöne Vorstellung, in den Reben zu sitzen, ein wunderbares Glas Grain Cinque zu trinken und der Suite No 1 von Peer Gynt zu lauschen. Den Blick über die Weinberge zur Rhône hinab. Das Leben ist das Schönste aller!
Bevor wir ins Haus gehen, zeigt uns Gregory einen Weinberg auf der anderen Seite des Rhônetals. Bei manchen Lagen ist das Gras bereits gewachsen, andere sind noch kahl. Er erklärt uns, dass die grünen ihre eigenen sind. Biodynamisch darf bereits alles wachsen was sich im Frühling heraus wagt. Die anderen Böden sind, so sagt er regelrecht todgespritzt. Wir werden nachdenklich!
Chappaz war die 2. Winzern die in der Schweiz komplett auf Biodynamie umgestellt hat. 16 ha auf 150 Parzellen verteilt baut sie 15 verschiedene Rebsorten an, die jährlich ca. 75 000 Flaschen ergeben. Monsieur Gregory führt uns in den Probierraum. Alte Holztische mit richtig alten Holzstühlen. Jeder Stuhl anders. Man möchte sich einfach nur hinsetzen und ihnen zuhören. Sie haben sicher viel zu erzählen!
Wir dürfen 5 Weine von Chappaz verkosten:
- 2020 Grain Cinque ein gemischter Satz aus Petit Arvine, Marsanne, Silvaner, Savagnier und Pinot Blanc gemeinsam gekeltert um das Terroir noch besser hervorzubringen
- 2020 Grain Hermitage Marsanne
- 2020 Grain Pinot
- 2018 Grain Noble aus Marsanne, Petiot Arvine und Malvoisie
Er berichtet uns, dass das Entrappen mit der Hand abläuft. Viele Hände streicheln („caresser“ Zitat Gregory) die Beeren über ein Gitter aus Nussbaumholz. So werden die Rappen nicht verletzt und keine unreifen Töne kommen in den Wein.
Desweiteren dreht man im Weinberg den Rebstockstamm mehrmals um sich selbst, so dass ein Korkenzieher ähnliches Gebilde entsteht was einen besseren Austrieb ermöglicht.
Gerne würden wir einen der herausragenden Weine kaufen, aber leider sind alle Flaschen ausverkauft und das seit langem. Man könnte meinen das Recht auf ein paar Flaschen wird vererbt. Nur Stammkunden der Top Gastronomie und langjährige Privatkunden dürfen Jahr für Jahr anklopfen und Flaschen ergattern. Sie bleiben in der Schweiz auch wenn die Anfrage aus aller Welt riesig ist. Nur 180 Flaschen gehen in die USA.
Wir gehen zwar mit leeren Händen, aber einer wunderbaren Erfahrung im Herzen zum Bus. Schade, dass Madame Chappaz nicht dagewesen ist. Wir wären sicherlich vor ihr niedergekniet! Vielen Dank für diese Verkostung!
Besuch der Kellerei St. Jodern, Visperterminen, Wallis
Autor: Monika Krupski
Der Stolz der Gemeinde ist die Heida Rebsorte – wie wir diese hier in Heidadorf Visperterminen entdecken dürfen. Heida (im Walliserdeutsch „ursprünglich“, „alt“ oder „in heidnischer Zeit“ (= vorchristlich), ist für das Wallis eine AOC-zertifizierte Weißweinsorte aus der Savagnin blanc. Der Kellerei St. Jodern sind 500 Mitglieder angeschlossen, die auf 45 Hektar insgesamt 140 Parzellen, meist in Teilzeitarbeit bewirtschaften und daraus ca. 400.000 Flaschen Wein produzieren.
Die Heida-Rebe ist hier die Königin und gedeiht mit Eleganz und Charme auf 1.150m.Ü.M. Der Ort besitzt somit die höchst gelegenen Weinberge Europas. Die Sonneneinstrahlung ist besonders hoch und der warme Föhn sorgt im Spätherbst dafür, dass die Trauben voll ausreifen können. Viele der Parzellen liegen nicht nur hoch, sondern sind auch extrem steil, sodass die Winzer die Reben nur, mit Klettergerüsten abgesichert, bearbeiten können. Zur Lesezeit werden von einigen Parzellen die Trauben per Hubschrauber ins Weingut transportiert.
Wir kommen in einen imposanten Verkostungsraum mit Blick in den Holzfasskeller. Gemütlich geht die Verkostung los, die Highlights sind die Weine aus der Sorte Heida. Die Heida-Rebe gehört zur Familie der Traminer und wird auch als Urahn von Grüner Veltliner und Sauvignon Blanc bezeichnet. Doch bevor wir mit einem Racletteschmaus (Käsefondue) beglückt werden, kommen verschiedene Weiß- und Rotweine ins Glas. Nachfolgend werden nur einige erwähnt.
2020 St. Jodern Johannisberg
Unser erster Wein war ein besonders schmelziger und ungewöhnlich kraftvoller Silvaner mit 0,0 g RZ/Ltr. und 13,8% vol. Alkohol. Auffallend ist die extrem geringe Säure. Der Wein wirkt dennoch frisch, am Gaumen Lang anhaltend, breit und komplex.
2020 Heida Vesperterminen
In Edelstahl ausgebaut lässt dieser zarte, blass strohfarbige Wein etwas auf sich warten. Gewärmt im Glas werden grüner Apfel, gemischte Gartenkräuter in der Nase wahr. Am Gaumen sind gelbe Früchte und Muskateller Aromen vorhanden. Eine schönes und klares Säurerückrat unterstützt den komplexen und fruchtbetonten Abgang.
2019 Heida Barrique Vesperterminen
Ausbau in 65% Eichen- und Akazienfässer, 35% in Edelstahltanks Zartes. Strohgelb im Glas, florale Noten, Bosc Birne und würzige Aromen umspielen den Gaumen. Der Körper wirkt vollmundig mit klarer, definierter und integrierter Säure. Der Eicheneinfluss ist im Körper gut eingebettet, jedoch nicht am Gaumen oder im Abgang.
2018 Heida Veritas – Wurzelecht, Ausbau in 500 Ltr. Ton-Amphoren
Golden und strohfarbiges Funkeln im Glas. Zunächst braucht dieser Wein Zeit und Luft, um sich zu entfalten. Viel zu jung geöffnet (noch viel und langes Potenzial). Die extrem kleinbeerige, wurzelechte Heida verströmt Aromen, die an grünes Gras und Honigduft erinnern, die sich nach einer Weile in ihrer Intensität verstärken. Die Komplexität ist fast nicht in Worten zu beschreiben! Reife gelbe Früchte, Sommerfrische und warme Gartenkräuter. Die vorhandene Säure verleiht dem Abgang ganz viel Länge und Eleganz.
Cave Fernand Cina
Autor: Michael Kugel
Die Degustation in Salgesch verspricht spannend zu werden. Aus den Reiseunterlagen geht hervor, dass Cave Fernand Cina für große Sortenvielfallt steht. 38 verschiedene Reben sind im Anbau. Darunter für die Schweiz eher untypische Namen wie Malbec, Tempranillo, Nebbiolo, Sangiovese, Grenache oder Sémillon. Das Mikroklima lässt also mediterranen Sorten zu.
Rein optisch werden wir bei Ankunft in der Cave Fernand Cina in eine andere Welt versetzt, die auf den ersten Blick so ganz konträr zur Landschaft steht. Das Empfangsgebäude, welches 2020 bezogen wurde, ist in seiner Fassade im Stil der Dekonstruktivismus Architektur errichtet. Ein Kubus, vor dessen große Glasfronten Elemente gestellt wurden, die in ihrer Struktur und Formensprache Ähnlichkeiten aufweisen wie z. B. die Kellerei in Tramin (Südtirol) oder das Pekinger Vogelnest (Olympia 2008).
Im Innern absolute Großzügigkeit. Das Licht durchflutet eindrucksvoll den ganzen Raum, das Interieur der Ausstellung und der Service-Bereiche bestechen durch eine klare Linienführung und hochwertige Materialien. Warum die Brüder Manfred und Damian Cina für ihre Weine diese Architektur gewählt haben, wissen wir nicht, wir sind jedoch vom ersten Moment an beeindruckt und gerne an diesem Ort und absolut bereit, unser Weinwissen zu erweitern.
20 ha werden bewirtschaftet und 220.000 Fl. pro Jahr produziert. Es gibt keinen Export. 85% werden an inländische Privatkunden verkauft, der Rest geht an Gastronomie Vorort. Diese hohe Bindung und Nähe an private Konsumenten erlauben es (so sagte man uns), dass die Weine auf die heimische Kundenklientel zugeschnitten werden könne. Ein Vergleich mit internationalen Erzeugern und Gewächsen könnte sich dadurch (eigentlich) erübrigen, da man die Weine außerhalb der Schweiz eh nicht kaufen kann. Besonders auffallend ist, dass alle Weine sehr säurearm in Glas kommen. Der Geschmack der Eidgenossen?
Manfred Cina hatte einen kurzen Augenblick Zeit für uns. Ansonsten kümmerte sich Sandra Brigy mit Ihrer charmanten Gastfreundschafft für unser Wohlgefühl. Sie führte uns auch durch die Keller. Für Fachfragen war sie jedoch nicht die richtige Person. Dafür gab es nette Anekdoten, z. B. das Manfred Cina als Kind in die Trauben (Maischebottich) gefallen ist (erinnert ein wenig an Obelix und den Zaubertrank).
Verkostet hatten wir: Chasselas (natürlich), Sauvignon Blanc, Petite Arvine, Humagne Blanc und Heida. Bei den Roten waren es Pinot Noir, 2 Sarah – einer aus dem Barrique, Malbec und eine außergewöhnlich spannende Cuvée aus 13 verschiedenen Rebsorten, von der lediglich 20% Nebbiolo bekannt ist, der Rest ist ein großes Geheimnis.