Weinreise in’s Reich der Mitte.

FuW-China-Reise 1. Gruppenbild der FuWies vor dem Weingut Changyu
Gruppenbild der FuWies vor dem Weingut Changyu

Zugegeben, wenn man erzählt, dass man eine Weinreise nach China vor sich hat, erntet man viele irritierte Blicke und Sätze wie: „Ich wusste gar nicht, dass China Weinbau betreibt“ und Ähnliches.

Wir, eine Gruppe vom Fachverband der unabhängigen Weinreferenten (FuW) haben uns auf dieses Abenteuer eingelassen. „FuWie“ Jörg Philipp und seine Frau Wsana haben vor Ort für den FuW enorm viel Zeit in die Vorbereitung dieser Reise investiert. Beide sind in China im Weinbusiness tätig und kennen sich bestens aus. So kamen wir in den Genuss ein breit gefächertes Spektrum an Betrieben und Gebieten besuchen zu dürfen.

China an sich ist nun kein Land, das man bereisen kann wie die Weinbaugebiete von Österreich, Deutschland, Italien oder Frankreich.

Es braucht für jedes Weingut eine Einladung, einen kleinen oder großen Regieplan, was soll gezeigt werden, was soll verkostet werden, wer begleitet die FuW-Gruppe zum Essen. Dort folgte dann die Sitzordnung: Wer sitzt neben wem, wer ist sehr wichtig und wird platziert oder wer ist nicht so wichtig und darf sich seinen Platz aussuchen. Begrüßungsreden, Trinksprüche, einheimische Küche, Essen mit Stäbchen am runden Tisch, Gastgebergeschenke. Über allen schwebt zu jeder Zeit die Etikette die es einzuhalten gilt. Man will die Gastgeber nicht brüskieren und als 16 Mann/Frau starke Gruppe von Weinfachleuten einen guten Eindruck hinterlassen.

Es war ein herrlich bunter Mix an neuen Eindrücken. Sich unvoreingenommen darauf einlassen und höchst vorsichtig zu sein bei dem Trinkspruch „Ganbei“ (trockenes Glas) was so viel wie „auf Ex“ heißt. Uns diesbezüglich recht ungeübten Europäern, auf diesem Gebiet, wurde schnell klar, dass wir mit Trinksprüchen (ab einer gewissen Menge) auf jeden Fall Zurückhaltung üben 😊. Der Kondition unserer chinesischen Gastgeber hatten wir nicht viel entgegenzusetzen.

Jörg und seine Frau Wsana haben die Gruppe mit den wichtigsten Etiketten und Gepflogenheiten im Vorfeld sehr gut vertraut gemacht. Eine für unsere Gastgeber in den Weingütern sehr wichtige Sache waren Gruppenbilder mit einer internationalen Weinprofirunde. Professionelle, privat organisierte Verkostungsgruppen, die aus reinem Interesse am chinesischen Wein unterwegs sind, sind im Reich der Mitte noch nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

Wir landeten also am Sonntag (13.10.) gegen Mittag in Beejing (Peking) um gleich ins nächste Flugzeug zu steigen und in das Weinbaugebiet Penglai/Yantai zu fliegen. Im Penglai Guobin Winery Hotel im Stil der Tang Dynastie hatten wir das erste Dinner und Tasting. Wir verkosteten Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Syrah, Süßwein (Petit Manseng & Malvasia) und Cabernet Franc und mühten uns redlich im Stäbchenessen.

Am nächsten Morgen (14.10.) nach dem typischen chinesischen Frühstück mit Suppe, Gemüse, Reis, Nudeln und viel Tee (Kaffee steht leider nicht auf dem Frühstückplan in China) stand zuallererst die Betriebsbesichtigung im Weingut Guobin auf dem Programm und anschließend fuhren wir in unseren ersten chinesischen Weinberg.

Danach besuchten wir das Weingut COFCO GreatWall. Die Dimensionen der riesigen Tanks im Keller und der daraus erfolgenden Peripherie waren beeindruckend. Mit 700 Hektar – rund 10 Millionen Flaschen – einer der Big Player in China. Zu verkosten gab es Chardonnay, Cuveés aus Cabernet Sauvignon, Marselan und Syrah sowie einen Sparkling Wine aus der Muskatellerrebe.

Kellereibesichtigung COFCO GreatWall. Man beachte Die Größe der Menschen und die gigantischen Edelstahltanks
Kellereibesichtigung COFCO GreatWall. Man beachte Die Größe der Menschen und die gigantischen Edelstahltanks

Anschließend ging es mit dem Bus weiter zum nächsten Weingut Changyu Industrial Area, Koya Brandy und Chateau Castel. Auf dem Weg dahin passierten wir im Vorbeifahren Nachbildungen von Loireschlössern und Chateaus im europäischen Stil in vielerlei Ausführungen. Diese Nachbildungen auf der „grünen Wiese“ zu sehen hatte einen feinen Touch von Disneyworld.

Barocke Gebäudenachbildung im Loirestil am Wegesrand
Barocke Gebäudenachbildungen nach europäischem Vorbild am Wegesrand
Barocke Gebäudenachbildungen nach europäischem Vorbild am Wegesrand

Angekommen in Changyu Wine City lag uns das Wort Gigantomanie ganz vorne auf der Zunge. Seit 2005 berät Lenz Moser das Weinimperium und seit 2015 werden chinesische Weine nach französischem Vorbild produziert. Die Verkostung begleitet von viel Presserummel bestand aus Welschriesling, Chardonnay, Blanc de Noir Cabernet Sauvignons, Cabernet gemischt und dem ebenfalls produzierten Weinbrand Koya.

Changuy Wine City
Changuy Wine City
Das Changyu Imperium auf einen Blick
Das Changyu Imperium auf einen Blick
Offizielles Tasting bei Changyu mit Weinen unter Mitarbeit von Lenz Moser
Offizielles Tasting bei Changyu mit Weinen unter Mitarbeit von Lenz Moser

Nach dieser gigantisch riesigen Anlage fuhren wir weiter in ein kleines Weingut Pula Valley über das wir dann auf den zweiten Blick erfuhren, dass es ebenfalls Teil einer sehr großen Anlage mit lauter kleinen Weingütern eines neben dem anderen und alle hübsch unterschiedlich in Optik war. Die verkosteten Weine Welchriesling, Chardonnay, Marselan, Cabernet Sauvignons und Petit Marsanne zeigten die Handschrift der winemakerin Gloria welche auch an der Uni Weinbau lehrt. Bei ihr lag der Fokus nicht auf Gebäude und Größe, sondern im Weinberg und in der Kellerarbeit.

Mit Gloria im Weinberg bei Pula Valley
Mit Gloria im Weinberg bei Pula Valley

Von Pula Valley führte der Weg ins Hotel zu einem abendlichen Dinner und Tasting mit Gloria.

Am nächsten Morgen (15.10.) flogen wir weiter in die Region Wuzhong/Ningxia und dort in die Huida Winery mit Besichtigung Verkostung und zusätzlicher Verkostung von Weinen aus der Region Hongsibu. Die Rebsorten Chardonnay, Viognier, Cabernet Sauvignon, Weine mit 24 Monate in der Amphore und Fassproben von Pinot Noir und Cabernet Franc. Abends das nun schon gewohnte Dinner und Tasting in diesem Fall nach islamischen Grundsätzen. Bei Huida ist der winemaker Li Cai Moslem. Entsprechend schwierig ist es für den sehr talentierten jungen Winzer seinen Traum zu leben und der Abneigung seiner gläubigen Familie gegen Alkohol gerecht zu werden. Der 2017 Cabernet Sauvignon von Weingut Huida war ein absolutes Highlight auf dieser Weinreise.

Wuzhong Ningxia. Huida Winery Region Hongsibu
Wuzhong Ningxia. Huida Winery Region Hongsibu
Die Trauben kommen ins Weingut und werden nach dem Rebeln einer Qualitätskontrolle unterzogen
Die Trauben kommen ins Weingut und werden nach dem Rebeln einer Qualitätskontrolle unterzogen

Am nächsten Morgen (16.10.) fuhren wir mit dem Bus weiter zum Weingut Xige Winery, ein modernes und komplett durchdesigntes Weingut. Hightech von A-Z. Nach der üblichen Betriebsbesichtigung, Gruppenbilder und Tasting gab es in diesem Weingut neben den beiden Weinen des Weingutes Welschriesling/Ugni blanc und Cabernet Sauvignon noch eine Querverkostung mit Rotweinen der Weingüter Prinzess, Chateau Rond Yuanne, Weingut Modern, Chateau Gu Cheng Ren Jia und das Weingut Weijiani aus Quintongxia.

Kellerei Xige Winery
Kellerei Xige Winery
Barriquekeller Xige Winery
Barriquekeller Xige Winery
Im Weingarten mit Mr. Dong. (president wine assiciation)
Im Weingarten mit Mr. Dong. (president wine assiciation)

Beim anschließenden Besuch Gezishan (ein Weingartenprojekt von Qintongxia/Ningxia) lernten wir, von Mr. Dong (president wine assiciation), dass in dieser Region die Reben im Winter vergraben werden. Es ist einfach zu kalt. Die Rebstöcke würden das nicht überstehen. Also werden die Reben soweit als möglich umgebogen und mit Erde bedeckt. Sehr viel zusätzliche Arbeit. Das Eingraben im Herbst, das Ausgraben am Ende des Winters, das erneute Befestigen. Das macht ein Rebstock natürlich nur ein paar Jahre mit. Sowie das Holz zu dick wird, ziehen die Arbeiter aus dem Hauptstock einen neuen Ableger. Ganz viele Weingüter arbeiten ohne Unterlagsreben, will heißen, in China ist die Reblaus keine Gefahr für wurzelechte Rebstöcke.

Darauf folgte die Besichtigung des Weingartens, der Kelleranlage und Verkostung auf dem Weingut Weijani, gefolgt vom gleichen Ablauf beim Weingut Guchengrenjia bei welchem der Cabernet Gernischt (Carménère) ganz besonders erwähnenswert ist.

Dann gab es einen kleinen Ausflug zum Sonnenuntergang am Yangtse mit Besichtigung der kulturellen Area of Huanghelou und dem Yellow River Tempel. Das war unser erster Besuch einer touristischen Sehenswürdigkeit die nicht mit Wein zu tun hatte.

Das Dinner mit Tasting begleitete Mr. Wang von Guchengrenija.

Yellow River Tempel Area of Huanghelou am Yangtse
Yellow River Tempel Area of Huanghelou am Yangtse

Am nächsten Morgen (17.10.) stand nach einer Busfahrt über Land mit Ausblick auf sehr ausgedehnte Rebflächen ein weiteres Riesenweingut auf dem Reiseplan. Das Weingut Chateau Terroir zugehörig COFCO GreatWall. Wieder ein durch und durch designtes Weingut mit riesigen Dimensionen und sehr ambitionierten Erweiterungsplänen, sehr schickem Ambiente, großen Zukunftsplänen am Fuß der Helen Mountains. Die Verkostung der 3 Weine dieses noch sehr jungen wenn auch riesigen Weingutes brachte eine Überraschung zutage. Welschriesling und Cabernet Sauvignon sind uns nun schon vertraut, aber eine Cuveé von Cabernet Sauvignon und Dornfelder hatten wir bis dato noch nicht im Glas.

Masterplan von Chateau Terroir zugehörig COFCO GreatWall
Masterplan von Chateau Terroir zugehörig COFCO GreatWall

Und dann kam mein persönliches Highlight auf dieser Weinreise. Wir fuhren auf den Hof von Emma Gao Silver Heigh Winery und fühlten uns alle sofort zuhause. Die Herzlichkeit der Winzerin, der üppige Bauerngarten, die Tiere die herumliefen, einfach das ganze Ambiente dieses kleinen Weingutes. Details mit sehr persönlichem Touch wohin der Blick auch fiel. Jeder bekam einen herzlichen Händedruck und ein Weinglas in die Hand. Und dann, ab in den Weinkeller!

Jungweinprobe von Welschriesling, Sauvignon Blanc und Chardonnay. Herrlich. Danach auf die Terrasse zur Verkostung von Pinot Noir und anschließend (der Wind vertrieb uns ins Häuschen) Verkostung von Sumit (Cuvée CS/ME) in verschiedenen Jahrgängen und Ausbaustufen bis hin zum The Last Warrior in weiß und rot. Dicht gefolgt (wir waren im Zeitdruck) von anderen Jahrgängen. Eine Verkostung die ganz schnell Fahrt aufgenommen hatte und manche von uns auf ein vertrautes Verkostungstempo brachte. Schlussendlich hatten wir in ganz kurzer Zeit viele wunderbare Weine probiert. Emma hat in Bordeaux Weinbau studiert und den Betrieb ihres Vaters übernommen. Sie ist mit Leib und Seele Winzerin.

Mit Emma Gao im Keller
Mit Emma Gao im Keller
Helen Mountains
Helen Mountains
Verkostete Wein im Weingut Silver Heigh von Emma Gao.
Verkostete Wein im Weingut Silver Heigh von Emma Gao.

Dann hieß es ganz schnell Abschied nehmen und ab zum Flughafen.

Der Abendflug brachte uns zurück nach Peking. Am nächsten Morgen hieß es von einem Teil der Gruppe Abschied nehmen und ab in den Bus und in die Region Huailai Hebei. Wir besuchten das Weingut Canaan Winery. Ein recht junges, ebenfalls komplett durchdesigntes Weingut. Der winemaker führte uns durch den sehr großen Betrieb. Interessant in Canaan war das Experiment mit offener Vergärung roter Trauben im Holzständer nur mit einem Tuch verdeckt. Im Barriquekeller gab es dann ein Schaulaufen aller namhaften Tonnellerien aus Frankreich. In der anschließenden Verkostung waren Weine von Caanan und zwar dieses Mal kein Welschriesling sondern ein Rheinriesling und ein Cabernet Sauvignon gefolgt von 2 Cuvées vom Nachbarweingut Domain Franco Chinois.

Einer der Fasskeller in Canaan Winery. Region Huailai Hebei
Einer der Fasskeller in Canaan Winery. Region Huailai Hebei
Weingartenarbeit. Die Reben werden aus dem Drahtrahmen geflochten und anschließend mit Erde völlig zugedeckt, damit sie den Winter überstehen
Weingartenarbeit. Die Reben werden aus dem Drahtrahmen geflochten und anschließend mit Erde völlig zugedeckt, damit sie den Winter überstehen

Anschließend stand Mittagessen in ein Restaurant mit einem drehbaren runden Tisch auf dem Programm. Dieses Mal aber mit beheizten Vertiefungen in denen in großen Töpfen das Essen direkt gekocht wurde.

Self Cooking Center am Round Table
Self Cooking Center am Round Table

Danach gab es einen Spaziergang auf der Great Wall und am nächsten Tag volles Touristenprogramm mit Himmelstempel, Sommerpalast und Verbotener Stadt. Am letzten Tag vor unserem nächtlichen Rückflug hatten wir noch eine „Food Tour“ in den Hutongs von Beejing. Auf dieser lernten wir ganz viele Minirestaurants mit tollen Spezialitäten kennen.

Food Tour mit Guide in den Hutongs (kleine Häuschen) inmitten von Beejing
Food Tour mit Guide in den Hutongs (kleine Häuschen) inmitten von Beejing

Abschließend bleibt mir zu schreiben. Es war eine sehr interessante Weinreise die mein Wissen um den Chinesischen Wein und seinen Werdegang sehr bereichert hat. Wir haben sehr viele leckere Speisen probiert, das Essen mit Stäbchen gelernt und waren beeindruckt ob der Sauberkeit in der kleinsten Garküche und insgesamt in allen großen Städten.

Verkostungsblatt Chinesisch-Englisch
Verkostungsblatt Chinesisch-Englisch

Die Sichtweise auf den Wein ist nach meinem Empfinden eine ganz andere wie in Europa, sprich der „alten Welt“. Viele der verkosteten Weine sind nicht für den europäischen Gaumen produziert. Der chinesische Markt scheint Weine mit wenig Säure und wenig Tannin zu bevorzugen. Für den europäischen Geschmack sind diese Weine ein wenig „dünn“. Sehr erstaunt hat uns das Preisniveau von umgerechnet 20- 60 Euro für die allereinfachsten Weine bis hin zu mehreren Hundert Euro pro Flasche. Der inländische Markt ist riesig, gemessen an der Einwohnerzahl. Leider ist uns nicht bekannt wie gut der Absatz im Land ist. Ganz wichtig für die Weinunternehmen scheint: Größe, Menge, Technik, modernstes Know-how. Und ganz oben: Umsatz und Gewinn.

Herzblut und Leidenschaft für den Wein, wie wir sie bei uns in nahezu jedem Weingut spüren und erleben, konnte ich ganz selten sehen. Aber China ist auf dem Weg das Gewicht mehr auf das Produkt zu verlagern, mehr Erfahrung, Wissen und Zeit in Weingarten- und Kellerarbeit zu legen. Der Weg ist beschritten, ein Anfang ist gemacht. Die Entwicklung und den Werdegang zu beobachten bleibt auf jeden Fall spannend.

Renate Liebl