Nebbiolo Verkostung am 12.11.2017 in Hannover

Piemont, Mitte des 19. Jahrhunderts. Einen süßen Barolo zu kredenzen im Königspalast von Turin des Hauses Savoyen-Piemont? Undenkbar – man trank vornehm trocken französisch.

Es war La Marchesa Giulia Falletti di Barolo die 1850 das Potential der Sorte Nebbiolo erkannte und Hilfe beim französischen Önologen Louis Oudart suchte. Mit seinen Erfahrungen über Pinot Noir, Mostvergärung und Kellerbau bedurfte es nur wenige Jahre, um dem nun trocken ausgebauten Barolo den Charakter eines seriösen Rotweintyps auf Augenhöhe mit den französischen Pendants zu verleihen. 1879 wurde bereits eine Lagenklassifizierung zwischen den Gemeinden Barolo und Barbaresco vom Agronom Signore Fantini erstellt.

Als in den 1980er Jahren die moderne Kellertechnik zum Reizthema zahlreicher Winzerfamilien wurde, entwickelten sich zwei unterschiedliche Philosophien bzw. Weinstile – traditionell gegen modern. Daher ist es an der Zeit eine Verkostung mit dem Weinnasenclub Hannover zu organisieren und den Status Quo zu ermitteln. Unter den Teilnehmern befinden sich Weinliebhaber mit überdurchschnittlichem Erfahrungs- und Wissensstand, die ihr Kellerinventar oft nach außergewöhnlichen Weinreisen gestalten. Da tropft mir jedes Mal der Zahn, wenn es mal wieder eine Begehung gibt.

Verkostung-Barolo-Barbaresco

Der Fokus lag eindeutig auf der Gemeinde Barolo mit 6 von 10 Nebbiolo Vertretern. Sämtliche Flaschen wurden einige Stunden vorher karaffiert. Verkostet wurde aus Burgunder Gläsern der Serie Taste von Schott. Zu Beginn gab es eine Grundlage bestehend aus hausgemachten Ravioli mit einer Füllung aus Wildschwein und Pflaume, nappiert mit einer Sauce aus pürierten Kirschtomaten und Paprika.

Dazu wurde der erste Wein serviert, um erstmal in die Nebbiolo Spur zu gelangen:

  • 2013 Nebbiolo Langhe DOC, Sobrero
    Morello mit dezenten Schoko- und Kaffeenoten, ordentliche Qualität

Nach der Stärkung ging es direkt weiter mit Barbaresco DOCG. Zwei 2004er Beispiele wurden eingeschenkt:

  • 2004 Nubiola, Giorgio Pelissero
    Dominant reife Kirschen und Pflaumen, viel Unterholz, harmonisches Mundgefühl, die Reifephase hat den Genusszenit erreicht. Die 14% Alk. befeuern im Nachklang die reifen Fruchtnoten. Ein kraftvoller Barbaresco mit lauter Fanfare.
  • 2004 Angelo Gaja
    Dezente, sehr präzise Schwarzkirsche mit Espressowürze in perfekter Balance. Elegante Struktur von Extrakt, Säure und feinstem Gerbstoff, im Nachklang diese scheinbar unendlichen Eindrücke von Schwarzkirsche, feine Röstaromen und dunkler Schokolade. Es sind wieder 14% Alkohol, jedoch nicht spürbar. Reifungspotential: mindestens weitere 8-10 Jahre. Einfach wunderschön. Da es sich hierbei um einen Angelo-Gaja-Per-Debuttanti für schlappe 180 Euro handelt, fragt man sich zu Recht, wie sich das mit den berühmten Lagenweinen Sperss, Sori Tildin und Sori San Lorenzo steigern lässt? Nun, am besten vereinbart man einen Termin zum 2. Teil der Nebbiolo Verkostung.

Danach war die nächste Verkostungsreihe am Start – 4 Beispiele aus Barolo DOCG plus einem U-Boot des Jahrgangs 2005. Unter den Baroli befand sich zudem eine Discounter Abfüllung. Mal sehen, ob die erkannt wird? Das sollte ein willkommener Anlass sein die Weine blind zu verkosten. Als da waren:

  • 2005 Riserva, Terre da Vino (von Norma für 12,99 EUR)
  • 2005 Elio Filippino, Castiglione Falletto
  • 2005 “Margheria”, Roberto Massolino, Serralunga d’Alba
  • 2005 “Monprivato”, Giuseppe Mascarello, Castiglione Falletto
  • 2005 Sforzato di Valtellina, Pietro Nera

Der Discounter Barolo hat sich schnell als einfach strukturierter fettfruchtiger Mainstream Nebbiolo präsentiert. Steht allerdings noch gut im Glas, jedoch ohne weiteres Reifungspotential.

Elio Filippino wurde ein sehr gutes Preis-Genuss-Verhältnis bei 28 EUR bestätigt. Bei dem Preis gab es nichts zu mäkeln, aber qualitativ war noch Luft nach oben. Die folgenden zwei Einzellagen Weine waren prima Beispiele für moderne vs. traditionelle Stilistik.

Der Margheria von Massolino zeigte sich relativ jugendlich mit roter Johannisbeere und Morellokirsche, Kastanie, Tabak sowie präsentem Tannin und erfrischende Säure. Der Monprivato war unglaublich verschlossen, die Botschaft aus dem Glas lautete: „Lasst mich in Ruhe, bin noch nicht soweit!“. Ca. 30 Minuten später probierten wir den 2. Schluck und notierten Herbstlaub, Muskat, dezente Brombeere, Bitterschoko. Elegante Textur mit beeindruckender Länge. Dieser Monprivato will nicht vor 2025 geöffnet werden.

Der Nebbiolo aus dem Valtellina aus getrockneten Trauben fiel wie erwartet besonders auf und polarisierte die Gruppe. Es gab Vergleiche mit Ripasso und Amarone aus Valpolicella, sowie Speiseempfehlungen wie z.B. Entenbrust mit Cumberland Sauce.

Das Barolo-Finale gestalteten die Winzer Domenico Clerico und Aldo Conterno aus dem Jahrgang 1995, unter der Prämisse Einzellagen einer Gemeinde, sowie modern vs. traditionell:

  • 1995 Domenico Clerico, Ciabot Mentin Ginestra, Monforte
  • 1995 Aldo Conterno Vigna Cicala, Monforte

Der Unterschied war frappierend wie transparent. Ersterer zeigte sich nach 22 Jahren mit dominanter Kirschfrucht, danach etwas Lebkuchen bei runder, saftiger Textur. Der Reifezenit ist nicht mehr allzu weit entfernt. Aldo Conterno dagegen fährt das komplette Barolo Orchester auf und lässt keine Wünsche offen. Nach einer dezenten Fiakernote kommen Walderdbeeren, Herbstlaub, Bitterschoko und Süßholz langsam durch, geprägt von feinster Gerbstoff-Struktur und endloser Länge. Weitere 10 Jahre Flaschenreife sollten für diesen exzellenten Barolo kein Problem sein.

Diese Nebbiolo Verkostung bleibt uns allen lange in Erinnerung. Ein Fazit ist schnell besiegelt: Willst Du beim Piemonteser Nebbiolo sparen, wirst Du nie sein komplettes Potential erleben. Da lassen sich Parallelen zum Pinot Noir aus dem Burgund finden. In Bezug auf Speisenbegleitung bietet sich die Norditalienische Küche mit Fleisch, Trüffel und Käse an, jedoch war man sich einig, dass die Geschmackssensation eines großen Barolos/Barbarescos nicht von Küchengrüßen beeinflusst werden will. Beim ultimo goccio vom Vigna Cicala gedachten wir ehrwürdig der Marchesa. Brindisi a Giulia!

Wolfgang Banovits