Im Zeichen des Riesling

Ganz im Zeichen des Riesling stand eine Tour durch die Pfalz, Rheinhessen und den Rheingau gemeinsam mit Helmut Klingler, Gerhard Mayr, Journalist bei WeinPur (Österreich)  und Bernhard Kammerlander, Gastronom in Wörgl. Auftakt beim Traditionsgut Dr. Bürklin Wolf, Wachenheim. Zum Empfang eine Spätlese Ruppertsberger Hoheburg 1971: Kandierte Früchte / Marzipan / kraftvoll / am Gaumen viel Würze /  deutliche Säure / balanciert / vital / gute Länge / 16,5. Danach ein Querschnitt der Jahrgänge 08 und 09 sowie einige ältere Weine. Bürklin-Wolf stellte vor einigen Jahren auf biodynamischen Anbau um – die Ergebnisse der beiden letzten Jahrgänge bestätigen den Aufwärtstrend, der mit dieser Umstellung zusammenhängen könnte. Die Weine zeigen ausgeprägte Mineralität, zur Fülle und Intensität der früheren Jahrgänge paart sich jetzt mehr Präzision und Ausgewogenheit. Herausragend aus den 08er Großen Gewächsen der Pechstein G.C. – feste Struktur / extraktreich / mineralisch / salzig / Würze / lang / bis 2020 / 17,5. Auch die 09er Premier Crus überzeugen, z. Bsp. der Wachenheimer Gerümpel: gelbe Früchte / Pfirsich / kräftiges Rückgrat / präzise / kräftige, balancierte Säure / mittlere Länge / bis 2018 / 16,5+.

Tasting mit Steffen Brahner, Geschäftsführer Dr. Bürklin-Wolf

Zweiter Termin bei Hansjörg Rebholz, Siebeldingen. Seit Jahren eine sichere Bank für charaktervolle Weine, die in den letzten Jahrgängen noch kompromissloser und strukturierter ausgefallen sind und bewußt auch Ecken und Kanten haben dürfen. Nach einer ausführlichen Tour durch alle Lagen des Weingutes ein Überblick über den aktuellen Jahrgang 2009. Durchweg haben alle Weine überzeugt – vom Einstiegswein NatUrSprung bis hin zu den großen Gewächsen. Toll wie bei den Weinen der jeweilige Boden oder Lagencharakter herausgearbeitet wurde, z. Bsp. bei der Riesling “S” Range vom Buntsandstein, Muschelkalk und Rotliegenden. Am meisten polarisierte das Große Gewächs Riesling Ganz Horn – der radikalste Wein der gesamten Probe: sehr klare Nase / reife Frucht / stahlige Struktur / mineralisch / salzig / puristisch / lang / großes Potential / bis 2025 / 18,0+.

Querdenker und Visionär: Hansjörg Rebholz
Im Tasting Room von Rebholz

Nächster Termin mit VdP-Präsident Steffen Christmann in Gimmeldingen. Wie bei den beiden vorherigen Betrieben werden die Weinberge biodynamisch bewirtschaftet. Stilistisch in 09 eher elegant statt pure Power, dazu besitzen die besten Weine viel Tiefe und kristallklare Frucht. Mein Highlight an diesem Tag: der Riesling Königsbacher Ölberg von Löß/ Kalksteinböden. “Kühle” Nase / saftige Frucht / viel Schmelz / mineralisches Rückgrat / hervorragende Balance / gute Länge / fast schon ein Großes Gewächs / sehr guter Value-Wein / bis 2018 / 17,0+.

VdP-Präsident Steffen Christmann
Paradelage Königsbacher Idig

Letzter Pfalz-Termin bei Köhler-Rupprecht in Kallstadt. Eine der traditionellen Hochburgen in ganz Deutschland Wer Frucht, Schmelz und Seidigkeit sucht, ist hier fehl am Platz. Struktur, Struktur, Struktur – das ist der Stil der Weine. Eigenwillig, unberechenbar, in jungen Jahren schwer zu verstehen, fast abweisend. Hier ist Geduld angesagt – schwierig in unser Tempo-Epoche. Paradelage ist der Kallstädter Saumagen mit Kalksteinböden und Südlage. Nach einer Maischestandzeit von 12-18 h werden die Weine spontan im großen Holz vergoren – manchmal bis in den Sommer hinein. Wir probierten einen Querschnitt der Jahrgänge 06 bis 08. Grandios werden könnte die trockene Saumagen Auslese “R” 07: floral-kräutrige Aromatik / gelbe Früchte / kräftiger Körper / dicht / fest / viel Mineralität und Würze / extraktreich / fast schmerzhaft bei soviel Struktur / anhaltend / ab frühestens 2015 – 2030 / 17,0++.

Im Keller von Koehler-Rupprecht – hier ticken die Uhren noch anders…

Danach ging´s weiter nach Rheinhessen zu Wittmann mit der Gelegenheit zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit die gesamte 09er Palette zu verkosten. Der erste hervorragende Eindruck vom Juni wurde bestätigt und zum Teil übertroffen – erstaunlich, was 4 Wochen Reife ausmachen können. Wiederum grandios Kirchspiel Großes Gewächs, der für mich mit seiner präzisen und eleganten Struktur einer der Weine des 09er Jahrgangs ist (18,0).

Qualitätsfanatiker Philipp Wittmann
Sorgt für Glücksgefühle: Riesling Kirchspiel 09 von Wittmann

Abschluß der Tour im Rheingau bei Peter-Jakob Kühn. Ebenfalls sehr überzeugende 09er Weine – kristalline, fast durchscheinende Weine mit Substanz und animierender Frucht. Meine Favoriten Riesling Quarzit und Riesling Spätlese Lenchen: expressive Nase / Pfirsich / seidige Textur / schmelzig / viel Finesse / sinnlich / bis 2020 / 17,0.

Fazit unserer Tour: an anderen Dingen sparen und viele 09er Weine aus Deutschland kaufen. Es lohnt sich – so langsam kann man  (zumindest vorsichtig) von einem großen Jahrgang sprechen.

Janek Schumann