Reisebericht Tag 4 der FuW Wein-Fachstudienreise in die Schweiz 2022

Donnerstag, den 28.04.2022

Weingut Jürg und Ueli Liesch, Malans

Autor: Hannes Rehm

Geradlinig, klar und präzise – das gilt sowohl für die 6,5 ha Rebanlagen als auch für die Weine von Ueli und Jürg Liesch in Malans. Die beiden Brüder übernahmen 1991 das elterliche Weingut und sind in der glücklichen Lage, dass sich alle ihre relativ flachen Parzellen rund um den Betrieb befinden. Das erleichtert die Bewirtschaftung, verkürzt Transportwege und die kalkhaltigen, gut drainierten Böden begünstigen selbst in schwierigen Jahren ein gutes Rebenwachstum.

Die trocknenden Winde in diesem Bereich des Oberrheintals tragen ebenfalls dazu bei auf Pestizideinsatz weitgehend zu verzichten. Eine Herzensangelegenheit von Ueli Liesch, der als Präsident der „Weinbranche Graubünden“ beharrlich daran arbeitet, seine Kollegen von biologischem Anbau zu überzeugen. Das Weingut Liesch ist seit 2021 biozertifiziert.

Das Rebsortenspektrum umfasst Müller-Thurgau (hier Riesling-Silvaner genannt), Pinot gris, Riesling, Chardonnay, Sauvignon blanc und Merlot. Die Lagen in 500 – 600m Höhe mit kühlen Nächten sorgen bei den Weißweinen für markante Primärfruchtaromen und eine animierende Frische. Doch vor allem bei Pinot noir zeigt sich die Meisterschaft der Lieschs. Bereits 2 Mal wurden sie mit dem Titel „Gran Maestro du Pinot“ gekürt. Um diese höchsten Weihen zu erhalten, schreibt der Wettbewerb „Mondial du Pinot“ vor, dass ein Betrieb 3 Jahre in Folge die herausragendsten Pinots produzieren muss.

Die gute Zusammenarbeit mit befreundeten Winzern gipfelt in dem Projekt „Pinot R(h)ein“, das das Weingut Liesch zusammen mit den Nachbarn Adank und Lampert seit 2006 betreiben. Dabei selektionieren die 3 Winzer jährlich ihr jeweils bestes Barriquefass Pinot und kreieren daraus eine einzigartige Cuvée – eben den Pinot R(h)ein, ein Meisterwerk voller Komplexität, Eleganz und Finesse. Großes Kino!

Powerfrauen in Graubünden

Autor: Jakob Spitzer

An den Hängen der malerischen Bündner Herrschaft am Rhein kommen wir in das herrlich entspannte Dorf Jenins. Dort werden wir im alten Dorfkern von Annatina und Laura Pelizzatti begrüßt.
Direkt geht es in den alten Stall vom Nachbar, nun ein stilsicher und modern gestalteter Degustationsraum mit offenem Deckengebälk, mit Blick auf Terrasse und den sonnenüberfluteten Hang. Die Rebstöcke liegen in Jenins unterhalb des Dorfes, so dass diesmal der Blick über saftig grüne Weiden und genüsslich grasende Küche schweift.

Den Hof kommt aus langer Familientradition, im 16. Jahrhundert aus dem Stuttgarter Raum nach Graubünden zugewandert. Annatina Pelizzatti macht dort seit 2003 Wein und hat ihn inzwischen vollständig auf Weinbau fokussiert. Zwischenzeitlich hat Tochter Laura Pelizzatti die Lehre als Weinbäuerin abgeschlossen und wirkt seit 2016 im Betrieb mit. Die beiden Frauen bewirtschaften das Weingut mit Power und Freude – unterstützt vom Opa, der „als Hausmeister aushilft“.
Im Weinberg wird schon länger auf Pestizide verzichtet und es wird „Bio“ gewirtschaftet, sagt Annatina Pelizotti: „Wir bringen den Saft aus den Weinfeldern – der Boden bleibt geschlossen, der Regen zieht mehr Stickstoff in den Boden als man glaubt.“

Schwerpunkt von Pelizzatti ist der Pinot Noir, den wir gleich als erstes als „Prickler“ verkosten; in einem feinen Rosé, mit einer lebendigen Perlage und einem delikaten, feinfruchtigem Aroma kommt er mit Eleganz daher. Und dann natürlich die Pinot Noirs, dezent im Eichenfass ausgebaut spiegeln die Sicht von Annatina Pelizzatti „das Leben ist kompliziert genug, da braucht es keine komplizierten Weine“.

Zum Abschluss gab es eine Überraschung, direkt aus dem Fass und noch unfiltriert, aber um so beeindruckender, Wein aus der lokalen Rebsorte Completer; viel Frucht und Individualität gepaart mit einer knackigen und Struktur gebenden Säure. Eine Sorte aus der Vergangenheit für die Zukunft im wärmer werdenden Klima.

Einziger Wermutstropfen des Besuchs folgt logischerweise der Kombination aus herausragender Qualität, kleinen Produktionsmengen und aufgebautem Rennomée: die Weine sind meist weit im Voraus und somit auch derzeit ausverkauft.

So geht es mit dem Gefühl weiter, begleitet von bester Information und charmanter Unterhaltung, Weine aus der Schweizer Spitze verkostet zu haben.

Besuch im Weingut Christian Hermann, Fläsch

Autor: Michael Rüter

Garagenweingut im Herzen der Büdner Herrschaft

Christian Hermann (Christian Hermann Weinbau AG) betreibt seit 1990 in der ersten Generation Weinbau in Fläsch in der Bündner Herrschaft im Kanton Graubünden – damals war er gerade einmal 23 Jahre alt. Auf ca. 4,3 Hektar baut Christian drei Rebsorten an: Pinot Noir (ca. 75%), Chardonnay und Rheinriesling. Hieraus keltert er lediglich fünf verschiedene Weine – drei Pinots und jeweils einen Chardonnay und einen Riesling. Die Jahresproduktion beträgt ca. 30.000 Flaschen. Die Pinot Noir und der Chardonnay werden für jeweils 10 Monate in Barriques ausgebaut. Seit 2008 arbeitet das Weingut biologisch.

Beim Weingut Hermann handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um ein Garagenweingut, da ein Großteil der Kellerarbeit in und unterhalb einer Garage stattfindet. Verkostet wurde das gesamte Sortiment des aktuellen Jahrgangs, aber auch jeweils ältere Jahrgänge. Beeindruckend war hierbei ein 1998er Pinot Noir „H“ aus der Lage Stritaberg. Das „H“ steht hierbei für Hermann, aber auch für die verwendeten halben Barriques (114 Liter). Bei der Verkostung konnte man förmlich Christians Begeisterung für seine Arbeit spüren. Konsequent verfolgt er dabei das Ziel fein-fruchtige Weine zu erzeugen.

Da im Weingut selbst kein ausreichender Platz vorhanden ist, lagert Christian einen kleiner Anteil der jährlichen Produktion in einem alten Munitionsdepot der Armee im Fläscher Berg. Hierbei handelt es sich um einen unterirdischen Bunker mit konstanter Temperatur von 12 Grad, perfekt also für eine längere Reife.

Christian und seine Lebensgefährtin Silvie haben die Aufgaben im Weingut klar verteilt. Er ist für die Arbeit in Weinberg und Keller zuständig, sie kümmert sich um die Vermarktung der Weine. Aufgrund der begrenzten Menge sind leider auch diese Weine, wie auch die anderer Weingüter auf unserer Tour, nur sehr schwer erhältlich.