Rosé oder nicht Rosé – ein politisches Lehrstück

Von Wolfram Römmelt

Manchmal ist er äußerst schmal, der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg. „Rosé bleibt Rosé“ jubelten die Franzosen Ende Mai 2009 und ließen die Champagnerkorken knallen. Gerade hatten sie bei der EU durchgesetzt, dass die Mischung von Weiß- und Rotwein nicht Rosé genannt werden darf.

Frankreich ist die Heimat des Rosé und so ist es nicht verwunderlich, dass vor allem die Franzosen auf die Barrikaden gingen, als die EU-Kommission den Plan fasste, zu erlauben, dass Rosé ganz einfach durch Mischen hergestellt werden darf: man nehme einen Weißwein und gebe eine kleine Dosis Rotwein hinzu, fertig ist der Rosé. In Australien und Südafrika ist diese Methode schon lange erlaubt, und so führte die EU-Kommission unter anderem die Chancengleichheit als Argument für ihre Reform an.

Hinter diesen Diskussionen stand und steht echter Problemdruck. Denn der Weinmarkt ist von gigantischer Überproduktion geprägt. Gerade bei den größten Produzenten Frankreich, Italien und Spanien schwächelt der Weinkonsum schon seit Jahren. Zudem haben sich die Weinfreunde seit der Debatte über das French Paradox (abgekürzt: „Rotwein ist gut fürs Herz“) immer mehr den roten Gewächsen zugewandt. Ergo: die EU-Subventionen für die Destillation, die die krassesten Überschüsse beseitigen soll, betreffen inzwischen immer mehr Weißweine. Gleichzeitig erlebt Rosé eine veritable Renaissance auf allen Märkten.

So sehr auch der eine oder andere Kenner über dieses pinkfarbene Zwitterprodukt lästert, die Weinfreunde haben längst mit dem Glas in der Hand zu seinen Gunsten abgestimmt. So gesehen ist es für große Kellereien eine wahrhaft bestechende Idee, durch einen kleinen Schuss Rotwein aus einem weißen Ladenhüter einen pinkfarbenen Renner zu machen. Ebenso anscheinend für die EU, auf diesem Weg vielleicht die eine oder andere Million an Subventionen einzusparen.

Für Weinkenner liegt es natürlich auf der Hand, dass ein simpler Farbenverschnitt wenig gemein hat mit echtem Rosé, der ausschließlich aus roten Trauben hergestellt wird, die nach dem Quetschen für einige Stunden auf den Schalen liegen.

Deshalb der Jubel über den Rückzieher der EU. Doch zeigt sich beim zweiten Hinsehen ein kleines, aber wichtiges Detail, das sich als politisches Lehrstück erweist. Es scheint nämlich, dass auch die großen Kellereien gewonnen haben. Denn sie dürfen jetzt wie gewünscht ihre Farbenverschnitte herstellen, nur das Wörtchen Rosé darf nicht aufs Etikett.

Ob das aber ein großes Handicap ist, darf bezweifelt werden. Ein Wein etwa namens ‚Pink Lady’ in einer weißen Flasche mit strahlend rosafarbenem Inhalt braucht nicht unbedingt eine Farbangabe auf dem Etikett. So wird uns wohl im nächsten Frühling der eine oder andere knallig pinkfarbene Tropfen aus den Regalen entgegenleuchten und den echten Roséweinen Konkurrenz machen.

Es ist also so eine Sache mit Erfolg und Misserfolg. Warten wir es ab. Denn wie immer gilt: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.