Der neue Prosecco – von Wolfram Römmelt

Es ist schon ein Trauerspiel, was mit dem Prosecco in den letzten Jahren angestellt wurde. Dieser einstmals zu Recht sehr angesehene Prickler ist inzwischen in der Billigstabteilung der Discounter angekommen. Mit dem Original hat das nicht mehr viel zu tun. Für die meisten Konsumenten ist Prosecco zum billigen Prickler für alle Tage verkommen. Dementsprechend sind schon alleine in Deutschland enorme Mengen auf dem Markt. Ein Blick auf die Wein-Landkarte verrät aber, dass das Anbaugebiet viel kleiner ist, als man vermuten könnte. Und kaum jemand weiß, dass Prosecco der Name einer Rebsorte ist. Oder besser gesagt: war. Aber dazu gleich mehr.

Doch wie so oft hat der Erfolg auch eine dunkle Seite: den Betrug. Seit Jahren werden immer wieder ‚wunderbare Vermehrungen‘ des Prosecco ruchbar. Inzwischen bereits so häufig, dass selbst den Produzenten mulmig wird. Denn sie wissen, weitere Skandale könnten zu einem tiefen Absturz führen. Deshalb erfanden sie jetzt den ‚neuen Prosecco‘ , ein Reglement, das eine bessere Kontrolle des Produkts ermöglichen soll. Und das funktioniert so: bisher gab es überwiegend Prosecco der Qualitätsstufe IGT (Indicazione Geografica Tipica). Das könnte man so in etwa mit dem Begriff Landwein übersetzen. Ab dem Jahrgang 2009 gibt es nur noch Prosecco mit dem Status des DOC (Denominazione Origine Controllata). Das sind Weine mit kontrollierter Herkunft, die eine Reihe von Qualitätskriterien erfüllen müssen.

Doch wie verwandelt man einen IGT in einen DOC? Vor allem wenn der Namensgeber des Produkts eine Rebsorte ist. Eine DOC ist dagegen üblicherweise nach dem dazugehörigen Herkunftsgebiet benannt. Das ist ein echtes Problem! Doch unsere italienischen Freunde haben bekanntlich Phantasie. Das Anbaugebiet war recht schnell definiert. Fast alle bisherigen Prosecco-Weinberge im Veneto, Friaul und selbst im Piemont wurden aufgenommen. Und auch beim Ertragslimit war man großzügig. Schließlich sollen alle bisherigen Prosecco-Kunden auch weiterhin beliefert werden. Doch wie kann man nun das Anbaugebiet und damit das Produkt ‚Prosecco‘ nennen, wo das doch der Name der Rebsorte ist? Ganz einfach: viele Weinbaugebiete sind bekanntlich nach einer Ortschaft benannt. Man muss also nur nach dem passenden Ort suchen. Und tatsächlich: es gibt in der Nähe von Triest einen kleinen Ort namens ‚Prosecco‘. Bingo!

Bleibt nur noch ein kleines Problem zu lösen: es gibt ja noch jene Erzeuger, die außerhalb der neuen DOC liegen und Prosecco-Trauben anbauen. Die müssen jetzt natürlich ihr Produkt anders nennen. Aber wie? Ganz einfach: jede Rebsorte hat je nach Geschichte und Region viele Synonyme. Prosecco zum Beispiel heißt unter anderem auch ‚Glera‘. Bingo! Der Name ‚Glera‘ steht also jetzt auf dem Etikett eines verhinderten Prosecco-Weins. Das weiß nur keiner. Jede Reform hat eben auch Verlierer.

Der Vorteil der neuen Regelung besteht darin, dass der DOC-Status mit mehr Kontrolle einhergeht. So darf in Zukunft beispielsweise kein Prosecco-Stillwein mehr nach Deutschland exportiert werden, um dann bei uns zu prickelndem Prosecco verarbeitet zu werden. Der Verschnitt mit anderen Sorten, der in den letzten Jahren modern wurde, ist in Zukunft nicht mehr erlaubt. So gibt es also auch keinen Rosé-farbenen Prosecco mehr, der stets durch Verschnitt mit einer roten Sorte (z.B. Raboso) entstand. Ein findiger Produzent wollte dieses erfolgreiche Produkt trotzdem am Leben erhalten. Er nannte es einfach um in ‚Rosecco‘. Das war aber selbst den Italienern zu viel Phantasie. Die Ware wurde beschlagnahmt. Als nächstes wollen sie jetzt den deutschen Perlweinerzeugern an den Karren fahren. Die beweisen in den letzten Jahren nämlich auch viel Phantasie beim Erfinden von Produktnamen, die eindeutig auf den Prosecco anspielen.

Auch bisher gab es bereits eine DOC für Prosecco. Und zwar für die Weine der kleinen Zone um Valdobbiadene  und Conegliano. Diese werden nun ebenfalls eine Stufe nach oben befördert. Sie gehören ab dem Jahrgang 2009 zur noblen Familie der DOCG-Gewächse (Denominazione Origine Controllata e Garantita).

Um nicht missverstanden zu werden: natürlich gab und gibt es ausgezeichnete und authentische Prosecco-Weine. Die sind dann allerdings nicht für 2€ oder noch weniger zu haben. Natürlich hoffen die Produzenten, dass der höhere Status des neuen Prosecco sein Ansehen wieder aufpoliert. Und natürlich auch, dass sich das in höheren Preisen niederschlägt. Bleibt zu hoffen, dass die Reform dazu beiträgt, dass wieder etwas mehr von der Echtheit und Wahrheit dieses ursprünglich sehr leckeren Tropfens die Konsumenten erreicht.