Adler-Weine

Gestern fand die erste Präsentation der Großen Gewächse des Jahrgangs 2008/ 09 (Weiß 2009, Rot 2008) der Winzer des VdP in Berlin statt – die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des VdP bildeten dabei einen stimmungsvollen Rahmen und lockten eine Menge Prominenz an, wie Hugh Johnson oder Jancis Robinson.  140 Winzer mit rd. 300 Weinen waren am Start – zuviel für vier Stunden Tasting. Aus diesem Grund ließ ich einige Regionen, die ich im Frühjahr/ Sommer diesen Jahres besucht hatte, fast völlig links liegen, konzentrierte mich auf die anderen Gebiete und auf Riesling. Einige Fazits vorweg:

1. Die Großen Gewächse (weingesetzlich nicht geregelt) sollen nach den Richtlinien des VdP die Spitzenweine Deutschland abbilden – wie in den Vorjahren gab es auch gestern eine Menge Weine, die diesem Anspruch nicht gerecht wurden und nur Durchschnitt waren. Zahlenmäßig legten die Großen Gewächse gegenüber dem Vorjahr erneut zu, aber nur ein “GG” auf dem Frontlabel abzudrucken, langt eben nicht aus.

2. Ist 2009 ein Spitzenjahrgang – ja oder nein?  Teilweise kontroverse Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten, dazu der Vergleich zu 2008.  Im letzten Jahr wurde bei der GG-Verkostung der 08er von vielen als zu mager und säurebetont kritisiert. Kaum hat man einen Jahrgang mit mehr Frucht und Stoff, schlägt das Pendel zurück. Etwas schräg, oder?  Sicherlich Ansichtssache und persönliche Vorliebe, ob ob man eher den schlankeren Jahrgang 2008 oder den fülligeren, kurvenreichen Jahrgang 2009 präferiert. Ich probierte eine Menge Traumweine in 2009 und das rechtfertigt es für mich, von einem sehr guten oder Spitzenjahr zu sprechen – dass es auch Weine am unteren Ende der Qualitätsskala gibt, liegt in der Natur der Dinge, da ja neben einem perfekten Reife- und Witterungsverlauf auch der Winzer, sein Anspruch und sein Können dazu gehört.

3. Restzucker – auch in 2009 wieder ein Thema. Eine Überarbeitung der Kriterien des VdP, nur “gesetzlich trockene” Weine als Grosse Gewächse zu definieren ist sicherlich überdenkenswert. Einige Weine an der Mosel hungerten sich geradezu in das Grosse Gewächse Regularium, obwohl ihnen ein paar Gramm Restsüsse besser zu Gesicht gestanden hätten. Selbe Problematik im Rheingau, wo zu viele Weine nur durch hohen Alkohol und Stoffigkeit glänzten – von Balance im Wein weit und breit keine Spur. Kurioserweise war dann auch der “Größte ” Wein des Tages für mich ein Wein, der deutlich Restzucker hatte und offiziell gar kein Grosses Gewächs ist: der Uhlen “Blaufüsser Lay” von Heymann-Löwenstein.

Mosel: Neben der o.g. Problematik eine Reihe von guten und sehr guten Weinen, u.a. von Dr. Loosen, Karthäuserhof, Grans-Fassian und Fritz Haag. Van Volxem zeigte ebenfalls eine geschlossene Leistung und perfekt gearbeitete Weine, auch wenn für mich der Lagencharakter unter dieser Perfektion litt. Überflieger an der Mosel Heymann-Löwenstein – atemberaubende, fast dramatische Weine mit dem Höhepunkt Uhlen Blaufüsser Lay Riesling: kristallin / mineralisch / präzise / perfekte Balance / ellenlang, unheimlich frisch und geschliffene Frucht – Traumwein! / 18,5+. Wie erwähnt, sind alle Weine von Heymann-Löwenstein keine Großen Gewächse im Sinne der VdP-Klassifikation.

Rheingau: Hinter anderen Regionen wie Mosel, Nahe, Pfalz und Rheinhessen. Wirkliche Spitzen fehlten genauso wie Peter-Jakob Kühn, Breuer und Leitz.

Nahe: Einmal mehr absolut top das Dreigestirn Dönnhoff, Emrich-Schönleber, Schäfer-Fröhlich. Letzterer hatte diesmal die Nase vorn. Bärenstarke Kollektion, mustergültig gebaute Weine, fast monumental Felseneck und Halenberg. Etwas enttäuschend das als Aufsteiger gehandelte Gut Hermannsberg mit von Schwefel geprägten und harschen, unbalancierten Weinen.

Pfalz: Viele hervorragende Weine – Reichsrat von Buhl, Rebholz (Ganz Horn), Christmann (Idig und Mandelgarten). Etwas dahinter Bassermann-Jordan und Siegrist. Entäuschend Dr. Wehrheim.

Rheinhessen: Viel im Sommer probiert, wenig gestern. Einmal mehr bestätigt Kirchspiel von Wittmann – grandioser, facettenreicher und tiefgründiger Wein.

Franken: Wenig probiert, daher nicht repräsentativ. Überzeugend Riesling Centgrafenberg von Rudolf Fürst.

Sachsen: Ein großes Gewächs – Weißburgunder Schloss Proschwitz – gut, aber GG?

Baden, Würtemberg, Mittelrhein und mehr zu Franken folgen dann zur zweiten Runde Ende September auf Kloster Eberbach.

Janek Schumann