Bordeaux 2016

Nach drei intensiven Verkostungstagen während der Primeur Week Anfang April formt sich das Bild des jüngsten Jahrgangs in Bordeaux. Die Messlatte hing dabei schon im Vorfeld hoch. Enthusiastische Kommentare sowie die bereits im Vorfeld der offiziellen Primeurwoche veröffentlichten Verkostungsnotizen von James Suckling schickten die Message eines Jahrhundert-Jahrgangs um die Welt. Wie immer in Bordeaux ist natürlich ein detaillierter Blick notwendig – zu komplex ist das Bild aus verschiedenen natürlichen Bedingungen, Rebsorten und Styles.

Das Jahr ging recht bescheiden los – über Monate hinweg dominierte regnerisches Wetter in Bordeaux. Bis Ende März schüttete es ohne Ende. Mit rund 500 mm prasselte das 2,5 fache des langjährigen Durchschnitts herunter. Allerdings erwies sich im Verlauf des Jahres dieser Niederschlag als Segen – durch die gefüllten Wasserreservoirs wurde die spätere intensive Hitze- und Trockenphase mehr als positiv beeinflusst. Natürlich konnte das im Frühjahr noch niemand ahnen.

Tatsächlich setzte sich das recht unbeständige und feuchte Wetter fort und bestätigte die Ängste eines unregelmäßigen und verspäteten Wachstums. Zusätzlich schlug Ende April in einigen Regionen der Frost zu und hinterließ bedeutende Schäden. Mitten in dieser unbeständigen Periode begann Ende Mai die Blüte. Die Gebete für einen Wetterwechsel wurden Anfang Juni erhört. Zwischen dem 03. und 11. Juni gab es eine Periode trockenen und warmen Wetters, welches in den meisten Weinbergen zu einer schnellen und gleichmäßigen Blüte führte.

Nach einer kleinen unbeständigen Phase mit Regen Mitte Juni hatte dann der Regengott endgültig sein Pulver verschossen. Die vegetative Entwicklung ging aufgrund der vollen Wasserspeicher zügig voran, eine Hitzeperiode Ende Juni beschleunigte die Entwicklung der Beeren und und legte den Grundstein für den Charakter des Jahrgangs. Trocken und heiß blieb es auch im Juli und August – zum Teil wurden neue Hitzerekorde erreicht. Langsam einsetzender Wasserstress führte zu einer zusätzlichen Konzentration der Beeren. Trotz heißer Tage waren die Nächte relativ kühl, so dass Aroma und Säure geschont wurden.

Der September startete ebenfalls heiß und trocken. Die ersten 13 Tage waren die heißesten Tage seit 1950, in Sauternes wurde am 12. September der Rekordwert von 37°C erreicht. Trockenstress war jetzt an der Tagesordnung, das Risiko für eine verzögerte Reife stieg von Tag zu Tag sprunghaft an. Am späten Nachmittag des 13. Septembers zogen schwarze Wolken auf und ein Sturm aus dem Baskenland fegte über Bordeaux. In Begleitung des Sturms kam heftiger Regen.

In einigen Appellationen kamen bis zu 40 mm runter und verdunkelten die Mienen der Winzer. Doch trockenes und sonniges Wetter kehrte postwendend zurück und hielt an bis zum Ende der Lese Mitte Oktober. Letztendlich war es genau der richtige Zeitpunkt für den Regen, um übermäßigen Stress zu vermeiden und einen neuen Impuls für die weitere Reife zu geben. Warme Tage und relativ kühle Nächte ab Mitte September führten zu einer weiteren Phenolkonzentration, ohne dass es zu Einbussen an Aromakomponenten und Säure kam.

Die Lese von Sauvignon Blanc und Semillon begann Anfang September. Aufgrund der trockenen und heißen Bedingungen im August wurden schnell eine ausreichende Zuckereinlagerung erreicht, wobei jedoch die aromatische Reife hinterher hinkte. Zum Schluss gab es zwar nochmal einen Reifeschub, aber viele Weißweine erreichten nicht ganz die Komplexität der großen Jahrgänge. Die Säurewerte lagen auf dem Level der 11er Weine und damit etwas geringer als in den letzten drei Jahrgängen. Insgesamt präsentieren sich die meisten Weißweine sehr ausgewogen und balanciert – ohne Zweifel ein sehr guter, wenn eben auch kein großer Jahrgang.

In Sauternes und Barsac wurden entsprechend der trockenen Bedingungen bis Mitte September in erster Linie eine Konzentration in den Trauben durch Trocknung erreicht. Der Niederschlag Mitte September brachte dann doch noch die gewünschte Botrytis, wobei diese sensorisch bei den meisten Weinen weniger ausgeprägt erscheint. Die meisten Sauternes und Barsac sind reichhaltig und zeigen eine klare Frucht.

Die Lese der roten Trauben begann in einigen Plots in der dritten Septemberwoche, wobei der größte Teil der Lese erst Anfang bis Mitte Oktober eingebracht wurde. Die Rotweine zeichnen sich bis auf wenige Ausnahmen durch hohe Extrakt- und Tanninwerte aus. Sie erinnern in ihrer Struktur an die 2010er, besitzen allerdings mehr Frische, Energie und Textur. Kombiniert mit einer zum Teil wahnsinnigen aromatischen Tiefe und auf den Punkt reifen Frucht ergab das die Basis für Stoff zum Träumen.

Einer der wesentlichsten Charakterzüge des 16er Jahrgangs ist Definition. Die lange Lesephase ab Mitte September gab jedem Château die Möglichkeit, den Stil des Hauses oder seiner Weinberge perfekt zu interpretieren und mit dem Ausdruck des Jahrgangs zu verbinden. Entsprechend weit gefächert ist die Variation an Stilistiken. Vom fast schwerelosen Lafite bis hin zum muskulösen Montrose ist alles dabei. Im Gegensatz zu vielen anderen Jahrgängen ist die Qualität sowohl vertikal als auch horizontal sehr hoch. Tolle Weine gibt es in allen Preissegmenten und Appellationen – einen Sieger herauszustellen fällt für die 16er Rotweine schwer. Ähnlich wie für die Weiß- und Süßweine wurde in den meisten Châteaux ein hoher Ertrag eingebracht und trug sicherlich neben der hohen Qualität dazu bei, dass die Bordelaiser Winzer aus dem Grinsen nicht mehr herauskamen.

Ist der 2016er ein großer Jahrgang? Schaut man sich die Bedingungen im Sommer und Herbst an, dann sieht man relativ schnell, dass vor allem die roten Trauben begünstigt wurden. In vielen Châteaux gehören die Rotweine sicherlich mit zum Besten, was jemals erzeugt wurde – und das entlang der gesamten Qualitätspyramide. Für die meisten weißen Trauben ging die heiße und trockene Phase am Ende mit einer Einbuße an Frische und Aromapotential daher und nur wenige Weine aus diesem Segment erreichen die Höhe ihrer roten Kollegen. Fazit: gut bis sehr gut für weiß und süß und sehr gut bis groß für rot – das ist in Kürze der 2016er Bordeaux.

Meine TOP 50:

Mouton-Rothschild – definitiv ein ganz großer Mouton und für mich einer der Weine des Jahrgangs / gewaltige Tiefe / viel Frische und Finesse / 19,5++

Vieux Chateau Certan – explosive pure Frucht / frisch / ultralang / 19,5+

Lafite Rothschild – verbindet die Leichtigkeit des Seins mit großartigem Tiefgang / einer der finessenreichsten Weine des Jahrgangs / 19,5+

Latour – 93% Cabernet Sauvignon / strukturiert / massiv / riesiges Potential / 19,5

Haut Brion – powerful und dicht / hält vermutlich 100 Jahre und länger / Geduldswein / 19,0+

Lafleur – konzentrierte Frucht / muskulös / großartiges Potential / 19,0

Haut Brion blanc – wie immer eine Klasse für sich und eine der ganz wenigen großen weißen Bordeaux in 2016 / 19,0

Yquem – wieder ein Traumstoff mit kristalliner Frucht, seidenweicher Textur und viel Frische im sehr langen Finale / 19,0

Margaux – fein und perfekt proportioniert wie immer wenn auch für mich einen Tick hinter dem tollen 2015er / unglaubliche 50 hl/ ha wurden in 2016 vom Grand vin produziert / 19,0

Palmer – großartiger Fokus und Finesse / auf dem Level von Château Margaux / 19,0

Montrose – vermutlich einer konzentriertesten und massivsten Weine in 2016, aber trotzdem sehr stylisch / ähnlich wie HB wird man hier lange warten müssen / 18,5++

Leoville las Cases – wie üblich sehr zurückhaltend und aristokratisch / dahinter aber schlummert Tiefe, Struktur sowie konzentrierte Frucht / klassischer LLC / 18,5+

Ducru Beaucaillou – exotisch, spleenig und expressiv / high energy wine / 18,5

L´Eglise Clinet – feinsinnige Frucht und geschliffenes Tannin / 100% Durantou Style / 18,5

Cos d´ Estournel – hat im Vergleich zu früheren Jahren abgenommen und das steht ihm verdammt gut / elegant / zeigt wirkliche Klasse / 18,5

La Mission Blanc – viel Energie und fast kristalline Frucht / besitzt nicht ganz die Tiefe von HB blanc / 18,5

Pontet Canet – nur 35 hl / ha / 45% Ausbau in Beton-Amphoren / reichhaltige Frucht / geschliffen / viel Energie / 18,5

Petrus – sehr sinnliche Frucht aber auch einer der wenigen Weine, wo man deutlich den Alkohol spürte (14,5%) / braucht definitiv Zeit / 18,0+

Figeac – auf den Punkt reife animierende Frucht, dazu viel Rückgrat und Frische / toller Figeac / 18,0+

La Mission Haut Brion  – verrückte Nase mit intensiven Cumin flavours / geradlinig und drahtig / gute Länge / 18,0

Pape Clement – seit einigen Jahren absolute Spitzenklasse in Péssac und so auch in diesem Jahr / pure / klassischer Zuschnitt mit hohem Spaßfaktor / 18,0

Brane Cantenac – einer der Überraschungen des Jahrgangs und Bestätigung eines Aufwärtstrends / auf diesem Level gehört BC definitiv zur Spitzenklasse in Margaux / glänzend poliertes Tannin / viel Extrakt und trotzdem Feinheit / Kaufempfehlung / 18,0

Leoville Barton – auch in diesem Jahr gibt es an LB nicht auszusetzen /  bleibt seiner Stilistik treu und verbindet Understatement mit Struktur und Ausdruck / 18,0

Lynch Bages – Turbo Wein mit viel Power und Konzentration / very much Pauillac / 18,0

Smith Haut Laffite – nur einen Tick hinter Pape Clement / extrovertierter Style mit hohem Tempo / 17,5+

Canon – die Benchmark für Canon ist der außerirdische 2015er und das hat man nicht ganz erreicht / besitzt zwar Tiefe und Dichte aber nicht diese Finesse, die den vergangenen Jahrgang auszeichnet / 17,5+

Les Forts de Labour – unverkennbar Latour Style / viel Würze / dicht / lässt wie üblich einige klassifizierte Weine alt aussehen / 17,5

Domaine de Chevalier – sehr klare fokussierte Frucht / viel Frische, Energie und feines Tannin / 17,5

Rauzan Segla – dramatische Nase mit Amarena und exotischer Würze / könnte etwas mehr Tiefgang am Gaumen haben aber zeigt deutlich Finesse / 17,5

Cheval Blanc – aufgeschlossen und aromatisch / konzentriert aber lässt Finesse und wirkliche Klasse vermissen / 17,5

Pichon Comtesse – saftige Frucht und expressive Nase / besitzt nicht ganz die Frische anderer 16er auf diesem Level / spontan gefällt mir der 15er besser / 17,5

Clerc-Milon – beweist, dass alle Weine aus dem Mouton Stall in diesem Jahr Klasse besitzen / kompakt / strukturiert / feines Tannin / 17,5

Angelus – viel Power und Extrakt / lässt deutlich die Muskel spielen / hat sicherlich seine Liebhaber, mir ist es etwas too much / 17,5-

Saint Pierre – coole Nase mit wilden Beeren und gecrushter Cassis / eleganter Style / 17,5

Canon La Gaffeliere – für mich einer besten Canon la Gaffelieres in den letzten Jahren / verbindet Dichte mit Frische und trocknet nur im Finale leicht aus / 17,5

Pavie Maquin – sehr animierende Nase / besitzt nicht ganz die Dramatik der großen 16er aber zeigt dafür Geschlossenheit und einen roten Faden / 17,5

Petit Mouton – bester Petit Mouton der letzten Jahre / expressive Nase / viel Textur und Frucht / macht jetzt schon Spaß / 17,5

Branaire Ducru – besitzt Ausstrahlung und Charme / saftige Frucht / macht sicherlich schon jung viel Spaß / 17,5

Le Pin – viel Frucht und cremige Textur / wirkt momentan etwas behäbig / vielleicht bringt die Entwicklung etwas mehr Gleichgewicht / 17,5

Lagrange – das Suntory-Weingut steht immer im Schatten der anderen Stars in St-Julien und produziert dabei von Jahr zu Jahr sehr zuverlässige Weine / der 16er ist da keine Ausnahme und wird sicherlich zu den Great Value Weinen gehören / 17,5

Gruaud Larose – würzige Nase / kompakt / robust / braucht definitiv Zeit / 17,0++

Troplong Mondot – viel Substanz und expressive Frucht / Im Gegensatz zu vegangenen Jahren diesmal balanciert und mit einigen Nuancen an Finesse / 17,0+

Suduiraut – Muskelprotz / ausladende Nase mit viel Exotik und süßem Holz / anhaltend / 17,0+

Doisy Daene – viel Grapefruit / etwas Botrytis / einer der wenigen Sauternes mit Frische und Agilität / 17,0+

Grand Mayne – einer der vielen sehr guten St-Emilions in diesem Jahr / attraktive Nase / besitzt viel Reiz und seidige Textur / 17,0

Clinet –  gefällt mir in 2016 ausgesprochen gut / klare Frucht / saftig / elegant / 17,0

de Fargues – viel Botrytis / weich / saftig / sweet finish / 17,0

D´ Armailhac – definitiv einer der besten d´Armailhac der letzten Jahre / fast schlank / elegant / fokussierte Frucht / 17,0

L´If – besitzt für mich mehr Agilität als Le Pin aus dem selben Haus, auch wenn in der Nase ein Hauch von Überreife zu erkennen ist / 17,0

 

Weitere Tasting notes schicke ich auf Anfrage gern zu.